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The Good Hand - Hedon Zwolle - 09.03.2018
"THE GOOD HAND? – Die kenne ich nicht", gibt der Zollbeamte zu, nachdem ich seine Frage beantwortet habe, warum ich nur für ein paar Stunden ins niederländische Zwolle gefahren bin. Derweil checken seine beiden Kollegen mein Auto – und werden auf der Rückbank fündig: Tatsächlich liegt dort das soeben veröffentlichte dritte Album der Band, "Blissful Yearning", von dem ich mehrere LPs und CDs für Freunde und Promo-Zwecke mitgenommen habe. Meine gute Laune irritiert die Beamten bei ihrer mitternächtlichen Suche, dabei liegt des Rätsels Lösung auf der Hand: Wer einem Konzert des Trios beiwohnt, der befindet sich auch noch zwei Stunden später auf einem fröhlichen Trip, für den es keiner fragwürdigen Substanzen bedarf.
Vor vier Jahren platzte die kleine Bar Cafe de Singel aus allen Nähten, am heutigen Abend der kleine Saal des Veranstaltungszentrums Hedon, in den immerhin rund dreimal so viele Besucher passen. Ich bin überrascht, welchen offensichtlichen Popularitätssprung THE GOOD HAND in ihrer Heimat vollzogen haben. Unter den Musikbegeisterten unterschiedlichen Alters ist natürlich auch der Alvenrad-Freundeskreis am Start, der es sich nicht nehmen lässt, den jüngsten Streich der Lokalmatadore gebührend zu feiern. Wer in diese Szene zwischen Apeldoorn und Zwolle ein wenig tiefer eintaucht, der ahnt, wie sich die Bands gegenseitig befruchten und inspirieren. Während ich mit einigen Einheimischen die neuen Nuancen im Klangbild von THE GOOD HAND erörtere, weist mich Alvenrad-Keyboarder Jasper Strik mit dem ihm eigenem Schalk vorsorglich darauf hin, dass auch die in Arbeit befindlichen neuen Songs seiner Band – mal wieder – eine etwas andere stilistische Richtung einschlagen. Es bleibt also spannend…
Das gilt jedoch zweifelsohne für keine der hiesigen Bands mehr als für THE GOOD HAND, die jedes ihrer Lieder bei jedem Auftritt variieren – Langeweile ausgeschlossen. Die Bühne ist stimmungsvoll ausgeleuchtet und im Hintergrund scheinen Natur- und Landschaftsszenerien auf, die mich im atmosphärisch-ästhetischen Zusammenspiel an eine warme Interpretation der von Porcupine Tree bzw. Lasse Hoile inszenierten Bildwelten erinnern. Und gleichwohl erst von vergleichsweise wenigen Musikjournalisten bemerkt, liegt der Vergleich von Komponist Arjan Hoekstra mit Steven Wilson bald unausweichlich auf der Hand: Die Musikalität spottet im Grunde jeder Beschreibung, wenn der Frontmann an der Gitarre zwischen Stoner Rock und Funk switcht, oder wenn er die Trompete ähnlich landschaftsmalerisch spielt wie Jan Garbarek sein Saxophon. Das Publikum goutiert diese abwechslungsreiche, durchweg fesselnde Darbietung respektvoll, und feiert vor allem zwischen den Songs, während es zwischendurch angenehm ruhig ist, um der Musik Raum zur Entfaltung zu geben.
Die neuen Songs von "Blissful Yearning" werden in der Setlist von vier Klassikern der ersten beiden Alben eingerahmt, was sich als geschickter Schachzug erweist. Fast jeder im Saal kennt "Remain", das heute zur Eröffnung gespielt wird, doch die neuen Songs sind den meisten unbekannt. Umso erstaunlicher, wie gut diese gleich bei der Album-Präsentation mit (oder trotz?) ihrer Vielseitigkeit zünden – immerhin: einige davon hatte die Band bereits vor zwei Jahren im Live-Programm, gleichwohl sie seitdem ordentlich an diesen Tracks herumgeschraubt hatten, bis sie das jetzige Format fanden. Neben doomig stampfenden Stoner-Riffs und allerhand bunten, zuweilen futuristischen Soundeffekten auf der Gitarre scheint Hoekstra derweil Gefallen am atmosphärischen Post Rock gefunden zu haben und schreddert dementsprechend, während Dennis Edelenbosch am Bass heuer weit mehr als den Ruhepol der Band bildet und selbst ganz starke Akzente durch sein nuanciertes Spiel setzt, das auch für sich alleine stehen könnte und immer noch zu faszinieren wüsste. Schlagzeuger Ingmar Regeling kann sich dazwischen austoben, sorgt für dynamische Kontraste und greift auch als Sänger ins Geschehen ein. Die kürzlich vollzogene „Generalprobe“ im Vorprogramm von Motorpsycho scheint dem Trio noch mal Auftrieb gegeben zu haben, und heute Abend präsentiert es sein neues Album unter optimalen Bedingungen – es folgt also ein Siegeszug, bei dem im ganzen Saal eine fröhlich entspannte Stimmung herrscht, in der niemand vor lauter Rock’n’Roll ausrastet, sondern eher der klangliche Genuss an erster Stelle steht. Nach rund anderthalb Stunden sind überall strahlende Gesichter zu sehen, und die Release Party darf als voller Erfolg verbucht werden.
Am Merch-Stand von Minstrel Music herrscht in der Folge dichtes Gedränge. Selbst die ultra-limitierte Luxus-Variante des Vinyls im grünen oder blauen Schuber (nebst allerhand Goodies) geht erstaunlich oft für den satten Preis von 60 Euro über die Theke, und die Band ist noch eine halbe Stunde später damit beschäftigt, Hände zu schütteln und Alben zu signieren. Es bleibt zu hoffen, dass diesem starken Auftakt weitere Konzerte auch jenseits der Landesgrenze folgen. Vielleicht bekommen dann auch Musik-interessierte Zoll-Beamte eines Tages THE GOOD HAND zu Gehör, und vielleicht gehen sie dann auch mit besserer Laune ihrer sicher häufig nicht sonderlich ersprießlichen Arbeit nach.